Charbel Makhlouf – Die „geistliche Zeder“ des Libanon

Als am Heiligabend des Jahres 1898 hoch oben im Libanongebirge ein einfacher Einsiedler stirbt, ahnen nur wenige, dass daraus einer der größten Hoffnungsträger des Libanon werden wird.

Wer den Libanon besucht, kommt an ihm nicht vorbei: Seien es Statuen vor Kirchen oder auch Privathäusern, Bildnisse auf Schlüsselanhängern oder an Armbändchen. Überall begegnet man der Gestalt des 1898 verstorbenen Einsiedlers, Mystikers und Heiligen Charbel Makhlouf. Heute ist er neben der Muttergottes von Harissa, deren 15 Tonnen schwere Bronze-Statue 600 Meter über der Küste nördlich von Beirut steht, die einende Figur unter den mit Rom verbundenen maronitischen Christen, deren Gründung auf den hl. Maron, einen Einsiedler aus dem fünften Jahrhundert, zurückgeht. Fast alle Mitglieder dieser morgenländisch-katholischen Kirche im Libanon, die heute etwa ein Drittel der Bevölkerung des Landes ausmacht, sind schon einmal zum Grab ihres größten Sohnes, des heiligen Charbel, ins St.-Maron-Kloster nach Annaya im Libanongebirge gepilgert. Mit seinem großen Wuchs, seiner asketischen Figur und seinen betend ausgebreiteten Händen, wirkt der Einsiedler wie eine „geistliche Zeder“ als Pendant zum fürstlichen Baum des Orients, der Zeder, dem Wahrzeichen des libanesischen Staates.

Wenn wir vom Libanon reden, denken wir vor allem an den grausamen Bürgerkrieg, der das Land zwischen 1975 und 1990 in zahlreiche rivalisierende Lager zerriss und in den sich auch immer wieder ausländische Mächte einschalteten. Der schreckliche Krieg forderte 90.000 Todesopfer und noch mehr Verwundete. Fast eine Million Libanesen mussten während dieser Zeit fliehen und haben im Ausland eine neue Heimat gefunden. Doch auch heute, nach dem Wiederaufbau des Landes, leideen die knapp vier Millionen Libanesen unter der enormen Belastung von fast eineinhalb Millionen vorwiegend aus Syrien stammenden Flüchtlingen und der angespannten Lage im Vorderen Orient.

Da setzen viele Libanesen wieder verstärkt ihre Hoffnung und ihr Vertrauen in Gott, der in Gestalt und Wirken des heiligen Eremiten Charbel Makhlouf seine Existenz durchscheinen lässt. Als Wundertäter ist der „Mönch vom Libanongebirge“ über seinen Tod hinaus vom Volk geliebt und verehrt. Unglaubliche und so zahlreiche Wunder werden von ihm bezeugt, dass man es fast nicht glauben will. Aber wer das entbehrungsreiche, ganz Gott geschenkte Leben des Heiligen näher betrachtet, kann besser verstehen, welche Gnaden er damit für die Menschheit erwerben konnte. Um eine der größten unter ihnen flehen die Libanesen am meisten: Einen dauerhaften Frieden für ihr Land.


Aus: PUR-spezial 3-2019, Foto: Archiv