Bescheidene Zeugin der Allmacht Gottes

Anni Angele lebte für Gott, die Kirche und die Menschen.

Wenn das der Herr noch braucht, dann machen wir das so.“ Für Fräulein Anni war Gott der Töpfer, der die Menschen so formt, wie er sie braucht. In diesem grenzenlosen Vertrauen ging die Allgäuerin einen unglaublichen körperlichen Leidesweg – 42 Jahre lang. Bis sie in Lourdes geheilt wurde. Am 20. November wäre die „Heilige von Leutkirch“, wie manche sie nennen, 90 Jahre alt geworden.

Anni kam als drittes Kind ihrer Eltern Josefa und Anton zur Welt. Bereits die Geburt ihrer ersten Tochter problematisch verlaufen. Mutter und Frühchen Hanna hatten nur knapp überlebt. Der Sohn, der folgte, konnte mit seinen sechs Pfund nicht geboren werden und starb. Trotz großen Blutverlusts überlebte Josefa, wusste allerdings, dass eine weitere Geburt ihren Tod bedeuten würde. Als Anni sich dann ankündigte, riet der Hausarzt zur Abtreibung – als einzigen Weg, Josefas Leben zu retten. In dieser aussichtslosen Situation fasste die Mutter den heroischen Entschluss, auf Gott zu vertrauen: „Wir dürfen jetzt noch acht Monate zusammen sein … wir weihen uns und unsere Kinder dem Herzen Jesu und der Mutter Gottes und die werden uns helfen.“ Am 20. November 1929 wurde Anni geboren. Die Geburt war schwer, aber Mutter und Kind überlebten.

Hanna und Anni hatten eine schöne Kindheit. Seit dem Ersten Weltkrieg betete Anton aufgrund eines Versprechens jeden Tag den Rosenkranz. Später machte die ganze Familie mit. So konnte Anni bereits früh in einen tiefen Glauben hineinwachsen und empfing mit sechs Jahren zum ersten Mal die Heilige Kommunion.

Bald darauf wurde bei dem Mädchen Knochentuberkulose diagnostiziert, eine Krankheit, die zunächst Annis Halswirbelsäule angriff und starke Schmerzen verursachte. Sie konnte ihren Kopf nicht mehr bewegen.

Als Neunjährige beschloss sie, ihr Leben für „die Priester und ihre Heiligung“ aufzuopfern – ein Anliegen, das ihr Leben grundlegend prägen sollte, wie Pater Hubertus Freyberg, ihr späterer Beichtvater, bestätigt.

Ihr Gesundheitszustand verschlechterte sich zusehens. Die Tuberkulose breitete sich auf ihren Bauch aus, die Därme begannen zu eitern, sie konnte kaum noch essen. Man operierte, aber der Zustand des Kindes verbesserte sich nicht. „So bin ich einige Jahre im Bett gelegen … und habe mit 13 Jahren nur noch 19 Kilo gewogen. Es war nur noch die Frage, wann erlöst Gott das Kind.“

Am Karsamstag des Jahres 1943 verstarb völlig überraschend ihre Schwester Hanna an einer Bauchspeicheldrüsenentzündung. Anni ging es zu diesem Zeitpunkt bereits so schlecht, dass der Hausarzt den Eltern riet, die Beerdigung auf den Mittwoch der Osterwoche zu legen, denn dann könne man die beiden Geschwister miteinander beerdigen.

Doch Anni starb nicht. Sie erholte sich langsam und konnte die Schule besuchen. „Wir waren damals überzeugt: unsere Hanna … hat im Himmel wohl eine ganz besondere Fürbitte eingelegt …“. Die Familie versuchte, einen normalen Alltag zu leben. Bis schließlich die Tuberkulose wieder ausbrach. Nach und nach wurden innerhalb mehrerer Jahre zunächst ein Stück, dann der ganze Magen entfernt, der Zwölffingerdarm, der Dünndarm, ein Stück des Mastdarms und die Galle. „Am Schluss war alles raus-operiert und ich konnte nichts mehr essen, nur noch Tee trinken … und war so geschwächt, dass ich nur noch zwei Stunden auf sein konnte.“ Von da an lebte Anni, medizinisch nicht erklärbar, ausschließlich von der Eucharistie und Tee.

Parallel zu ihrer zunehmenden Schwäche machte die junge Frau im geistlichen Leben rasante Fortschritte. Auf Empfehlung ihres damaligen Seelenführers, des „Segenspfarrers“ Augustinus Hieber, weihte sie sich gemäß dem Heiligen Ludwig Maria Grignion de Montfort der Gottesmutter. In der Grignionbewegung erkannte Anni eine Mission für sich. Zudem fasste sie den Entschluss, für die Anliegen der anderen zu beten, so dass das Haus der Angeles immer mehr zur Anlaufstelle unzähliger Hilfesuchender wurde. Manchmal musste sie ihr Gebetspensum in die Nacht verlegen, weil so viele Anrufe und Besucher um ihren Beistand baten.

Ende 1975 verlor Anni trotz mehrerer Operationen das Augenlicht: die Tuberkulose hatte die Sehnerven beider Augen zerstört. Als ihr in dieser für sie besonders schweren Zeit der völligen Dunkelheit eine Bekannte vorschlug, nach Lourdes zu pilgern, lehnte sie zunächst ab. Doch in der Beharrlichkeit der Dame meinte sie schließlich den Willen Gottes zu erkennen und sagte zu – obwohl ihr Zustand eine solche Reise kaum erlaubte. „Wenn das die Kirche noch braucht, dann müsste ich das ja tun“, sagte sie und nahm die Reise in den Anliegen der Kirche und der Kranken auf sich.

Am 3. Juli 1978, am Fest Mariä Heimsuchung, geschieht dann während der Sakramentsprozession das Unglaubliche: „Ich durfte es auch innerlich erleben, das Allerheiligste kommt. Und wie der Bischof den Segen gegeben hat mit dem Allerheiligsten, wurde die ganze Tuberkulose weggenommen.“ Für ihre Begleiter wirkt die kranke Frau eine halbe Stunde lang wie tot – sie selbst ist während dieser Erfahrung in einer anderen Welt, mit Jesus und Maria.

Anni sprach kaum darüber, allerdings war es ihr ein Anliegen, zu versichern, dass der Herr in der Heiligen Hostie wirklich gegenwärtig ist. Das erlebt zu haben, war für sie das große Geschenk von Lourdes.

Nach Jahrzehnten ohne feste Nahrung aß sie nun wieder. Und zwar alles, denn „von Diät hat sie (die Gottesmutter) nichts gesagt.“ Allein ihre Sehnerven waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht wieder hergestellt. Erst am 11. Februar 1979, dem Gedenktag der ersten Erscheinung in Lourdes, wird ihr auch diese Last genommen.

Mit Blick auf ihre Heilung betonte Anni Angele stets drei Punkte. Erstens zu ermutigen, mit großem Vertrauen zu beten: „Wenn Gott uns sehr lange warten lässt, dann bereitet er etwas anderes vor, etwas Schöneres und Größeres.“ Dann: „Betet täglich den Rosenkranz. Diesem Gebet der Kirche misst Gott eine ganz besondere Bedeutung zu“, davon war sie überzeugt. Und schließlich empfahl sie immer wieder, sich Jesus und der Mutter Gottes ganz zu überlassen. „Weiht euch dem Herzen Jesu und der Mutter Gottes.“

37 Jahre wurden Anni auf Erden noch geschenkt bis zu ihrem Tod 2017. Krankheit und Schmerzen trug sie bisweilen weiter, besonders wenn schwierige Ereignisse für die Kirche bevorstanden. Ihre Lebensmission, für andere zu beten, sprach sich herum. Und noch in hohem Alter arbeitete sie mit Telefon und Schreibmaschine für die Grignionbewegung – immer in der Gewissheit, dass „Gott jedem Menschen eine Aufgabe zugedacht“ hat, unendlich barmherzig ist und möchte, dass wir glücklich sind.


Aus: PUR-magazin 11-2019, Foto: Privat